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Externe Expertise

Einleitung

In der heutigen Gesellschaft wird in allen Lebenslagen bei den täglichen und nicht-alltäglichen Herausforderungen und Problemen in irgendeiner Form Unterstützung gesucht. Sei es bei Fragen der Kindererziehung, dem Schreiben einer korrekten Bewerbung an den neuen Arbeitgeber oder eben in Unternehmen bei der Einführung eines digitalen Tools für die Fertigungssteuerung oder der Optimierung von Interaktionssituationen im internen Umgang oder bei Kundenbeziehungen. Im privaten Bereich zeichnet sich das durch eine Veröffentlichungsflut bei der Ratgeberliteratur aus; im wirtschaftlichen Umfeld schadet die Lektüre der einen
oder anderen Hilfestellung sicherlich nicht, und Unternehmen greifen, sofern die finanziellen Mittel es erlauben, auf externe Expertise zurück. Dies sind vielfach Unternehmensberatungen im engeren Sinne, aber auch andere Akteure tummeln sich in dem Feld wie beispielsweise Softwareunternehmen, Verbände, Industrie- und Handelskammern oder Hochschulen. In der Wissenschaft ist schon von der „Beratungsgesellschaft“ (Schützeichel/Brüsemeister 2004) gesprochen worden.

Dieser Beitrag enthält Informationen über unterschiedliche Formen von Beratungsanbietern, Kriterien der Entscheidungsfindung, über den Nutzen und die Probleme des Einsatzes von Unternehmensberatungen und über innerbetriebliche Stolpersteine für den Beratungsprozess.

Formen externer Expertise

Zunächst gilt es zu klären, was unter Unternehmensberatung verstanden wird. In einem ersten Zugriff wird meist an Beratung in strategischen und Organisationsfragen gedacht; beraten wird das Top-Management. Inzwischen haben sich die Beratungsfelder ausgeweitet: Eine gängige Unterscheidung ist die „Einteilung in die strategische, operative und funktionale Beratung“ (Treichler/Wiemann 2004: 21). Die strategische Beratung ist selbsterklärend auf die Unternehmensstrategie bezogen, unter der operativen Beratung lässt sich die Umsetzung von Lösungen fassen, um Strukturen, Prozesse oder Personal auf eine Veränderung vorzubereiten; die funktionale Beratung orientiert sich an den unterstützenden Funktionen im Unternehmen wie der IT oder dem Personalbereich und entwickelt beispielsweise Qualifizierungskonzepte oder vernetzte IT-Lösungen.

Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage, wer könnte ein (größeres) Unternehmen bei seinem Veränderungsprozess unterstützen, fallen normalerweise die Namen der großen, vielfach global agierenden Unternehmensberatungen wie McKinsey, BCG, Roland Berger, PWC oder Deloitte. Es gibt daneben allerdings noch eine Reihe weiterer möglicher Anbieter für Beratungsdienstleistungen, die jeweils spezifische Vor- und Nachteile haben können:

  • Neben den genannten Beratungskonzernen, deren Dienste sich viele Unternehmen des Technischen Services kaum leisten können (oder wollen), gibt es unter den ca. 20.000 Unternehmensberatungen vorwiegend kleinere und mittlere Beratungsunternehmen, die in Deutschland den größten Marktanteil mit Blick auf Umsatz- und Beschäftigtenanteile innehaben (BDU 2020). Während die ‚großen‘ Unternehmensberatungen Komplettpakete anbieten, sind die kleineren und mittleren Beratungsanbieter auf bestimmte Themen spezialisiert.
  • Darüber hinaus gibt es weitere Anbieter, die sich beispielsweise auf Fragen der Softwareeinführung oder der Personalentwicklung spezialisiert haben (BDU 2020: 23). Beobachtbar scheint jedoch eine Verschmelzung beider Gruppen von Beratungsunternehmen zu sein: Die klassischen Beratungsunternehmen haben ihr Portfolio ausgeweitet, gleiches gilt für die Softwareanbieter etc., die sich mehr und mehr an die klassische Managementberatung wagen.
  • Als weitere Gruppe lassen sich Non-Profit-Organisationen anführen, die zielgruppenspezifische Beratungs- oder Qualifizierungsleistungen anbieten. Diese sind etwa Unternehmensverbände oder den Gewerkschaften nahestehende Beratungsstellen wie Technologieberatungsstellen (vgl. https ://www.tbs-netz.de/), die Unternehmen bei der menschengerechten Arbeitsgestaltung unterstützen, aber auch Hochschulen etwa in Form von Weiterbildungsangeboten oder anwenderorientierten F&E-Projekten.
  • Abschließend soll auf – im weiteren Sinne – öffentliche Angebote hingewiesen werden. Diese umfassen eine breite Spanne mit
    unterschiedlichen Beratungsintensitäten; manche unterstützen Unternehmen bei der Suche und der Finanzierung (etwa in Nordrhein-Westfalen die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung [G.I.B]), manche übernehmen Beratungsleistungen wie die im Deutschen Verband der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaften e.V. (DVWE) organisierten Wirtschaftsförderungen.

Eine dritte Differenzierung bei Beratungsunternehmen ist die Frage der Rolle bzw. des Selbstverständnisses der Beratung. Unterscheiden lassen sich beispielsweise drei „Beraterrollen“ (vgl. Treichler/Wiemann 2004: 23; Lippold 2016: 25 ff.):

  • Fachberater:in und Expert:in

In dieser Rolle agieren die Beratungsunternehmen als Ideengeber:in, um die Unternehmen mit neuem, aktuellem Wissen zu versorgen, das die bestehende Problematik zu lösen vermag. Das ‚Verkaufen‘ sollte hierbei nicht im Vordergrund stehen, aber es handelt sich um einen schmalen Grat, auf dem die Unternehmensberater:innen wandeln.

  • Projektleiter:in und Implementierer:in

In diesem Verständnis setzen die Unternehmensberatungen vorhandene Konzepte rasch um; es geht um das ‚Machen‘, weniger um das Reflektieren, Beteiligen etc.

  • Coach und Moderator:in

In dieser Bestimmung geht es nicht um sofortige Umsetzen eines Konzeptes oder den Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis. In dieser Rolle unterstützen die Berater:innen die betrieblichen Projektgruppen dabei, ihr Ziel zu erreichen. Etwas generalisierend geht es um die Entwicklung von Führungskräften und Beschäftigten, Veränderungsprozesse effektiv und effizient durchzuführen.

Diese Rollen sind nicht trennscharf; so können Beratungsunternehmen im Beratungsprozess zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Rollen einnehmen.

Kriterien zur Entscheidungsfindung über ‚externe Beratung‘

Ein veränderungswilliges Unternehmen muss prüfen, ob es die angestrebte betriebliche Umgestaltung, sei es nun die Optimierung der Interaktionsarbeit durch eine digitale Lösung oder sei es eine Neustrukturierung der Arbeitsabläufe, aus ‚Bordmitteln‘ leisten kann oder ob es sinnvoll ist, sich externe Unterstützung einzukaufen. Bei der Entscheidung gibt es keine Gesetzmäßigkeiten: Was für das eine Unternehmen folgerichtig sein kann, muss es für das andere nicht sein; was für das eine Veränderungsproblem sinnvoll sein kann, muss es für das andere nicht sein. M.a.W.: Es gilt, jeweils den Einzelfall zu betrachten. Für die Entscheidung pro oder contra externe Expertise sind Kriterien vonnöten, die von den betrieblichen Entscheidungsträger:innen individuell bewertet werden können. Die Kriterien werden im Folgenden skizziert:

Kosten

Die Kosten sind in Unternehmen bei Investi-tionsentscheidungen häufig die restringierende Variable: Ist die externe Expertise finanzierbar oder nicht? Zunächst gilt es somit, sich einen Überblick zu verschaffen, um welche Kosten (-höhe) es geht. Lt. BDU lagen die Tages-sätze im Jahr 2019 zwischen ca. 1.000,- EUR für einen Analysten und 2.000,- EUR für einen der Partner des Beratungsunternehmens (https://www.bdu.de/newsletter/ausgabe-12020/studie-honorare-im-consulting-steigen-leicht-an/).

Vertrautheit mit dem Unternehmen und der Branche

Relevant ist weiterhin die Frage, inwieweit eine hohe Vertrautheit des Beratenden mit dem Unternehmen notwendig ist bzw. ob sie ein Vorteil sein könnte. Unstrittig ist, dass zumindest – mit Blick auf externe Expertise – Branchenkenntnisse und ein ‚Gefühl‘ für den Mittelstand (Bäcker 2004: 87 f.), dem die Mehrzahl der Technischen Dienstleistungsunternehmen zuzuordnen ist, von Vorteil sind; Kenntnisse der jeweils spezifischen Materie gelten als nicht verhandelbar.

Unternehmensziele, Organisations- und Personalstrukturen oder andere Spezifika sind internen Projektbeteiligten in hohem Maße bekannt; hinzu kommen gegebenenfalls die Verstrickungen der internen Projektbeteiligten i.S. eines „persönlichen Beziehungsnetzwerkes“ (Bär et al. 2006: 47). Externen Berater:innen fehlen diese Kenntnisse und Vorbelastungen. Sie haben den Vorzug, dass sie nicht (zu) tief in die betrieblichen Strukturen eingebunden sind, so dass sie einen unvoreingenommenen Blick auf das Unternehmen haben können. Ihnen fehlen somit die ‚Betriebsblindheit‘ sowie die quasi ‚eingeschriebene‘ Ablehnung von Lösungen jenseits der betrieblich üblichen „Das haben wir schon immer so gemacht“-Einstellungen;

„Der Berater tritt dem Unternehmen gewissermaßen als ‚Fremder‘ gegenüber, der die Situation mit einer ‚systemfremden‘ Brille betrachtet: Seine Normen, Werte und Haltungen sind nicht identisch mit denjenigen der Unternehmensmitglieder, seine ‚Weltsicht‘ ist daher eine andere.“

(Bär et al. 2006: 47)

Know-how

Verbunden mit der Frage der Vertrautheit ist das erforderliche Know-how für den Veränderungsprozess: Verfügt das veränderungswillige Unternehmen über aktuelles Wissen in einer Fachthematik? Gibt es konkrete Vorstellungen, wie Kundeninteraktion verbessert werden kann? Verfügt man über einen Marktüberblick, welche digitalen Hilfsmittel eingesetzt werden können? Hier ist zu erwarten, dass Beratungsunternehmen über den aktuellen Wissensstand verfügen, etwa zu Maßnahmen der Kundenbindung, der Verbesserung interner Kommunikationsströme oder dem Einsatz digitaler Werkzeuge zur Erleichterung der Interaktion mit dem Kunden bei der Störungsbeseitigung. Hinzu kommt, dass Beratungsunternehmen, die vielfach ab einer gewissen Größe interdisziplinär aufgestellt sind, eine Spezialisierung aufweisen, Erfahrungen aus anderen Unternehmen mitbringen und über „eine analytisch-konzeptionelle Deutungs- und Urteilskraft, die ein Unternehmen aus Mangel an Kapazitäten nicht leisten kann“ (Treichler/Wiemann 2004: 22), verfügen.

Nutzen

Beratungsunternehmen haben immer wieder mit einem schlechten Leumund zu kämpfen. Nicht vergessen werden darf, dass eine fachlich fundierte, auf die Anforderungen des Unternehmens eingehende Beratung einigen Nutzen hervorbringen kann. Der neutrale, unverstellte Blick auf das Problem, die Erfahrung und das Wissen der Unternehmensberatung generieren Lösungen, die normalerweise nicht in das Blickfeld des zu beratenden Unternehmens gekommen wären. Zudem vermag die Kompetenz des Beratungsunternehmens die Akzeptanz für Veränderung im Unternehmen steigern.

Probleme externer Beratung

Bei der Entscheidung für oder gegen den Einkauf externer Beratungsleistung sind einige strukturelle Probleme auf Seiten der Beratungsunternehmen zu berücksichtigen. Der Erfolg einer Beratung hängt stark davon ab, inwieweit die gemeinsam erarbeitete Lösung auf die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten ist. Gleichzeitig wächst kundenseitig der Wunsch nach einem Angebot aus einer ‚Hand‘; ein Ansinnen, das vielen Dienstleistungsunternehmen des Technischen Service bekannt ist:

„Der Markt will alles aus einer Hand kaufen können; ob er es dann immer macht oder auch nicht, das sei mal dahingestellt. Aber der Markt will, sonst würden wir viele Aufträge gar nicht bekommen.“

(Teamleiter InLog)

Auf diese Entwicklung reagierten viele, gerade unter den großen Beratungsunternehmen, mit der „Entwicklung und Anwendung von Standardprodukten“ (Treichler/Wiemann 2004: 27), um die Nachfrage bedienen zu können, die jeweiligen Projektkosten durch Standardprodukte reduzieren zu können sowie den Einsatz von weniger erfahrenen Beratern zu ermöglichen:

„Viele Beratungsfirmen sprechen mittlerweile ohne jede Scheu von ,Beratungsprodukten‘ mit relativ klar definierten Merkmalen.“

(Richter 2004: 84)

Diese Strategie funktioniert so lange, wie die Kundschaft bereit ist, derartige Angebote zu akzeptieren. Ihr Erfolg ist hingegen fraglich, wenn sich diese ‚Standardprodukte‘ durch fehlende betriebsspezifische Anpassungen und die schwache Partizipation von relevanten Akteuren in den Beratungsprozess auszeichnen.

Die Akzeptanz sinkt, wenn deutlich wird, dass die vermeintlichen Erfolgsrezepte der Unternehmensberatungen im eigenen Unternehmen nicht funktionieren. Das passiert etwa dann, wenn Standardprodukte aufgrund ihrer Verbreitung keine Wettbewerbsvorteile mehr generieren oder grundsätzliche (strategische) Herausforderungen im Unternehmen nicht gelöst werden. Hinzu kommt, dass die von den Beratungsunternehmen in den Vordergrund gerückten Erfolgskennziffern eines Veränderungsprozesses in Hinblick auf den erhofften Nutzen nicht immer aussagekräftig sind.

Insgesamt ist kritisch zu prüfen, ob der sogenannte „Return on Consulting“ (Treichler/Wiemann 2004: 34) realisiert werden kann:

„Die Bestimmung des Beratungserfolgs einzelner Projekte ist jedoch nicht trivial, da sowohl der Beratungsnutzen als auch die Beratungskosten nur schwer zu erfassen sind.“

(Treichler/Wiemann 2004: 34)

Da geht es u.a. um die Erfassung der Kosten, die sich nicht nur auf der Rechnung des Beratungsunternehmens niederschlagen, sondern beispielsweise eine Fülle interner, schwer zu quantifizierenden Kosten beinhalten, die Bemessung des Nutzens, insbesondere wenn er, wie bei der Verbesserung der Interaktionsbeziehungen zum Kunden, eher qualitative Resultate (Kundenbindung etc.) hervorbringt oder wenn nicht eindeutig bestimmbar ist, welchen Effekt die Beratung für den erzielten Nutzen erbracht hat.

Betriebsinterne Stolpersteine

Die Entscheidung für eine externe Beratung ist im Unternehmen positiv ausgefallen. Jetzt gilt es, ein geeignetes Beratungsunternehmen zu finden. Auch dieser Auswahlschritt ist nicht trivial, wie die nachfolgend skizzierten Stolpersteine zeigen.

Alibiberatung“ (Lühr 2001: 63)

Der Misserfolg von Beratungen kann zum einen auf der Seite des Beratungsunternehmens liegen, zum anderen sind auch die zu beratenden Unternehmen nicht frei von Problemen, die einen Beratungsauftrag scheitern lassen können. Die beauftragenden Unternehmen, meist deren Inhaber oder Geschäftsführer (vgl. Sperling/Ittermann 1998), holen sich ein Consulting-
Unternehmen ins Haus, um auf der Vorderbühne beispielsweise die interne Kommunikation oder die Kundenansprache zu verbessern. Auf der Hinterbühne verfolgen sie gegebenenfalls andere Interessen: Diese „Alibiberatung“ (Lühr 2001: 63) kann dazu dienen, geplante unpopuläre Beschlüsse quasi von dem Beratungsunternehmen ‚absegnen‘ zu lassen; die unpopuläre Entscheidung wird intern als unvermeidlich dargestellt: „Der Bericht des Beraters hat uns ja deutlich gezeigt, dass …“ Mit dieser Einleitung beginnt die Verkündung von Kostensenkungsmaßnahmen wie Personalabbau, Rationalisierungsmaßnahmen etc.

Legitimation

In eine ähnliche Richtung geht die „Legitimationsfunktion“ (Treichler/Wiemann 2004: 22), die ein Beratungsunternehmen haben kann: Das ist einmal die eben angesprochene Alibifunktion, ein andermal die Legitimation gegenüber den Share- und Stakeholdern, dass man in einer kritischen Unternehmenssituation alles versucht habe, die anstehenden Aufgaben zu lösen. Weder die Alibiberatung noch die Legitimation sind im eigentlichen Sinne Fehler, sondern vielmehr eine Strategie der Geschäftsführung, eigenes Handeln zu rechtfertigen.  Wie dieses Verhalten in der Belegschaft und bei den Interessenvertretungen ankommt, steht auf einem anderen Blatt.

Beratungsresistenz

Gerade der (inhabergeführte) Mittelstand (Familienunternehmen) hat damit zu kämpfen, dass ihm eine gewisse „Beratungsresistenz“ (Bäcker 2004: 80) angelastet wird:

„(…) verschließen sich – gleichsam wie das bekannte Dorf in Gallien allen Belagerungsversuchen – scheinbar beratungsimmune, unbelehrbare ‚Unternehmungsfestungen‘ des Mittelstandes einer externen Beratung. Vielfach lassen sich mittelständische Familienunternehmen ungern ‚in ihre Karten‘ gucken und nehmen von außenstehenden Experten, die Betriebsabläufe nicht kennen, kaum Kritik an.“

(Bäcker 2004: 79)

Gerade in inhabergeführten Unternehmen wissen die Verantwortlichen vermeintlich sehr genau, wie Krisen oder notwendige betriebliche Umstrukturierungen zu meistern seien. Bei dieser Einstellung, die sich unter Umständen durch die oben angeführte Betriebsblindheit verschärft, haben Beratungsunternehmen nur eine geringe Chance, mit eigenen Ideen und Vorschlägen durchzudringen.

Kein Verzicht auf eigene Lösungskompetenz

Die Beratungsresistenz ist die eine Seite der Medaille, die Abgabe der Verantwortung an das Beratungsunternehmen die andere. Von der Annahme ausgehend, dass die Beratungsunternehmen über die Fach- und Methodenkompetenz sowie die Erfahrung aus vielen Beratungsfällen verfügen, kann das dazu führen, dass die Geschäftsführung das Beratungsunternehmen ‚machen lässt‘. Das kann nicht nur zu unzureichenden Ergebnissen führen, sondern verhindert auch, dass das Unternehmen aus dem Veränderungsprozess insgesamt und dem Vorgehen des Beratungsunternehmens lernt.

Es gibt bei diesem Stolperstein eine zweite Lesart: So ist die Option zu prüfen, ob im eigenen Unternehmen nicht eine geeignete Person oder ein geeignetes Team existiert, die oder das die Beratung übernehmen kann (vgl. ausführlich Lühr 2001: 65 ff.) – also die eigene, im Unternehmen vorhandene Lösungskompetenz zu nutzen.

Zeitdruck

Manche Unternehmen fühlen sich unter Druck gesetzt, wenn sie (schnellen) Optimierungsbedarf erkannt haben. Der Zeitdruck zeigt sich darin, dass nicht genau überlegt wird, was von dem Beratungsunternehmen erwartet wird. Unzureichende Leistungsbeschreibungensind die Folge und werden sehr wahrscheinlich zu suboptimalen Beratungsergebnissen führen, da das Beratungsunternehmen antizipieren muss, was erwartet wird – und damit falsch liegen kann: Die Lösungsvorschläge passen weder zum Beratungsproblem noch zum Unternehmen und seiner Kultur. Der Zeitdruck kann zudem dazu führen, das Beratungsunternehmen nicht sachgerecht auszuwählen; um Zeit zu sparen, vertraut man auf positive Rückmeldungen aus dem betrieblichen oder privaten Umfeld: „Wenn der Kollege gute Erfahrungen gemacht hat, wird das bei mir nicht anders sein.“ Das kann in einigen Fällen funktionieren, muss aber nicht zwangsläufig erfolgreich sein.

Fehlende Beteiligung der Betroffenen

Partizipative Einführungsstrategien gelten auch für die Auswahl des Beratungsunternehmens. Wird darauf verzichtet, wächst die Gefahr von Akzeptanzproblemen seitens der Betroffenen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung nicht gewürdigt und ihre Interessen nicht gewahrt sehen.

Zum Abschluss: einige Hinweise

Externe Beratungsunternehmen können beratungswilligen Unternehmen eine Reihe von Vorteilen bringen, aber ihre Auswahl muss wohlüberlegt sein und das Unternehmen muss offen für die Beratungsdienstleistung sein. Mögliche Probleme und Fehler auf beiden Seiten des Dienstleistungsverhältnisses sind angeführt worden, warum die Beratungsleistung nicht zum Erfolg geführt hat. Um die Risiken minimieren zu können, sollen insbesondere drei Faktoren betont werden:

Wie wähle ich das Beratungsunternehmen aus?

„Die Beraterauswahl ist einer der zentralen und kritischsten Prozesse“

(Treichler/Wiemann 2004: 50)

Diese Aussage impliziert, dass die Auswahl des richtigen Beratungsunternehmens Aufwand erfordert – nicht zuletzt, weil der Begriff ‚Unternehmensberatung‘ nicht gesetzlich geschützt ist und eine genaue Prüfung der ins Auge gefassten Unternehmensberatung angeraten ist. Die Grundstruktur dieses Auswahlprozesses ähnelt dem hier vorgestellten Vorgehensmodell. Auch bei der Beraterauswahl ist bedeutsam, sich die Problemlage genau zu vergegenwärtigen und die Anforderungen zu konkretisieren: Was soll das Beratungsunternehmen leisten? Nach der Ausschreibung werden die eingegangenen Angebote nach vorher definierten Kriterien analysiert, ungeeignete Angebote aussortiert, bis ein Beratungsanbieter übrigbleibt, dem der Auftrag übertragen wird (zu den Vertragsverhandlungen und -bedingungen vgl. Lühr 2001: 76 ff., zu ökonomischen Aspekten vgl. Richter 2004).

Ko-Produktion

Die Zusammenarbeit zwischen beratungssuchenden und beratungsanbietenden Unternehmen greift ein Kerncharakteristikum von Dienstleistungs- und Interaktionsarbeit auf: Ein Beratungsunternehmen kann ohne die aktive Mitwirkung des zu beratenden Unternehmens seine Aufgabe nicht erfüllen:

„Wenn keine Grundbereitschaft vorhanden ist, sich neue Vorschläge vorbehaltlos anzuhören und dann offen zu diskutieren, nützt zumindest eine inhaltliche Beratung wenig“.

(Lauer 2019: 221)

Nur wenn der Klient sich ‚öffnet‘ und kooperativ agiert (etwa bei der Ist-Analyse), können die Analysen und daraus entwickelte Lösungskonzepte helfen. ‚Mauert‘ ein Unternehmen sich ein, wird die Beratung ins Leere laufen. Das wiederum setzt die Bereitschaft aller potenziell Beteiligten (Geschäftsführung, Führungskräfte, Beschäftigte, Interessenvertretung) voraus. (Arbeitsorganisation und Führung)

Unsicherheit und Vertrauen

In vielen Dienstleistungsbeziehungen lassen sich die Leistungen nicht exakt beschreiben; die Verträge werden nicht ‚wasserdicht‘ sein können. Es bleiben immer Unwägbarkeiten, da das Ergebnis u.a. vom Verlauf des Beratungsprozesses abhängt (vgl. Ko-Produktion). Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten muss dem jeweiligen Gegenüber ein gewisser Vertrauensvorschuss gewährt werden – diesen zu gewähren, bleibt für Unternehmen eine Herausforderung, da sie in ihrem Alltagsgeschäft vielfach mit immer weiter ausdifferenzierten Verträgen und juristischen Absicherungen zu tun haben, die eine Offenheit von Verträgen gerade nicht erlaubt.

Literatur

Bäcker, E. (2004): Beratung als Legitimation und Limitation. In: R. Schützeichel; T. Brüsemeister (Hrsg.): Die beratene Gesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag, S. 79-94.

Bär, M.; Böckelmann, C.; Thommen, J.-P. (2006): Interne und externe Coachings in Unternehmen. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, Jg. 13 (1), S. 44–55.

BDU – Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (2020): Facts & Figures zum Beratermarkt 2020. Bonn: BDU.

Lauer, T. (2019): Change Management. Grundlagen und Erfolgsfaktoren. 3. Aufl. Berlin: SpringerGabler.

Lippold, D. (2016): Grundlagen der Unternehmensberatung. Wiesbaden: Springer.

Lühr, P. (2001): Externe Berater erfolgreich einsetzen. Wiesbaden: Gabler.

Richter, A. (2004): Auswahl von Beratern und Einkauf von Beratungsleistungen: Eine ökonomische Perspektive. In: C. Treichler; E. Wiemann; M. Morawetz (Hrsg.): Corporate Governance und Managementberatung. Wiesbaden: Gabler, S. 75-100.

Schützeichel, R.; Brüsemeister, T. (Hrsg.) (2004): Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung. Wiesbaden: VS Verlag.

Sperling, H.; Ittermann, P. (1998): Unternehmensberatung – eine Dienstleistungsbranche im Aufwind. München/Mering: Rainer Hampp Verlag. Treichler, C.; Wiemann, E. (2004): Corporate Governance und Managementberatung. In: C. Treichler; E. Wiemann; M. Morawetz (Hrsg.): Corporate Governance und Managementberatung. Wiesbaden: Gabler, S. 15-58.