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Projektgruppe

Wer macht’s? – Die Projektgruppe als Instanz im Veränderungsprozess

„Wo immer Neues geschaffen oder Altes verabschiedet werden soll, berufen Führungskräfte Projektgruppen – deren Arbeit meist nicht nur Widerstände erregt, sondern oft genug im Sande verläuft.“

(Pinnow 2017: 147)

Das Zitat zeigt es: Die Projektgruppe spielt eine zunehmende Rolle in Unternehmen – ohne indes ein Erfolgsfaktor zu sein. In einer ersten Annäherung können Projekte lt. DIN beschrieben werden als „Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist“ (DIN 69901-5:2009-01: 11; zit. n. Heidling 2018: 208). Diese Vorhaben können weit gespannt sein: Zum einen handelt es sich um Projektgruppen, die für Produktneuentwicklungen oder Erkenntnisgewinne, etwa bei Forschungsvorhaben im universitären Umfeld, gebildet werden; dies trifft auf den Technischen Service immer zu, wenn neue Anlagen geplant (etwa Tankstellen oder Intralogistikanlagen) oder alte modernisiert werden (Retrofit) (vgl. Kalkowski 2017: 262). Zum anderen handelt es sich um Projektgruppen, wenn deren Auftrag die (zeitlich befristete) Durchführung einer betrieblichen Veränderungsmaßnahme ist, sogenannte „Change-Projekte“ (Kalkowski 2017: 262). Beispiele hierfür sind etwa aus den 1980er Jahren die Implementierung von CAD-Systemen in Konstruktionsabteilungen oder in den 1990er Jahren die Einführung von Gruppenarbeit in der industriellen Fertigung; aktuell werden immer wieder betriebliche Projektgruppen zur Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben gebildet. In diesem Sinn wird die Projektgruppe nachfolgend verstanden.

Was ist eine Projektgruppe?

Der Begriff setzt sich aus zwei Substantiven zusammen: Projekt und Gruppe, die auch im Alltagssinn eine Vorstellung davon geben, was eine Projektgruppe definiert. Ein Projekt ist immer auf eine bestimmte Zeitspanne ausgelegt, hat also meist einen definierten Start und ein definiertes Ende, bekommt bestimmte Ressourcen zugewiesen (Finanzen, Personal, Zeit etc.) und soll eine vorab definierte Problemstellung mit einer oder mehreren Zielvorgaben lösen. Projekte umfassen in der Regel planende, auf die Zukunft gerichtete Arbeiten und unterliegen daher nicht nur wechselnden Rahmenbedingungen (Welche betrieblichen Bereiche sind betroffen? Welchen Einfluss nehmen die Kunden bzw. der Markt? etc.), sondern bearbeiten tendenziell etwas für das Unternehmen Ungewisses mit den entsprechenden Unwägbarkeiten, so dass „die Projektziele häufig erst im Projektverlauf endgültig festgelegt werden und der Ressourceneinsatz sowie der zeitliche Aufwand zu Projektbeginn nur näherungsweise bestimmt werden können“ (Heidling 2018: 207; vgl. Pinnow 2017: 148).

Sozialwissenschaftlich versteht man unter einer Gruppe „eine bestimmte Zahl von Mitgliedern, die zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels über längere Zeit in einem relativ kontinuierlichen Kommunikations- und lnteraktionsprozeß stehen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickeln“ (Gukenbiehl/ Schäfers 1992: 117). Fokussiert man die Konkretisierung der Gruppe auf die Arbeitswelt, lassen sich fünf Typen von Gruppen unterscheiden: „Qualitätszirkel, Projektgruppen, klassische Arbeitsgruppen, Fertigungsteams und teilautonome Arbeitsgruppen“ (Schaper 2019: 441). Die Unterscheidung der Projektgruppe zu den meisten anderen Gruppen liegt in der fehlenden Einbindung in die Unternehmensorganisation; Projektgruppen sind zudem zeitlich befristet (Miebach 2017: 280). Dementsprechend ist die folgende Definition im Weiteren leitend:

„Projektgruppen bearbeiten meist einmalige umfangreiche Aufgaben bzw. Aufträge, die von der Unternehmensleitung vorgegeben werden. (…) In Abhängigkeit von der gewählten Projektorganisation treffen sich die Projektmitglieder entweder nur von Zeit zu Zeit oder arbeiten kontinuierlich zusammen und werden dementsprechend für die Zeit der Projektdauer, die zeitlich befristet ist, teilweise oder ganz von ihren Arbeitsaufgaben freigestellt.“

(Schaper 2019: 444)

Welche Aufgaben hat eine Projektgruppe bei Veränderungsprozessen?

„Sie öffnen ihre hochwertig gefüllten Werkzeugkästen, analysieren das Problem, entwickeln Lösungsalternativen und präsentieren zum Stichtag der Geschäftsführung ihre Ergebnisse.“

(Pinnow 2017: 148)

Was in dem Zitat so einfach klingt, entpuppt sich in der Realität als komplexer Prozess – darauf wird noch einzugehen sein. In Veränderungsprojekten soll die Projektgruppe die Lösung eines Problems ausarbeiten und die Lösung, nach der Zustimmung der Unternehmensverantwortlichen, umsetzen. Die Arbeit der Projektgruppe basiert auf der vorläufigen Problemdefinition und den grundlegenden Überlegungen, die in der Regel von der Unternehmensleitung und Teilen der Führungskräfte formuliert wurden. In der Logik des VISITS-Vorgehensmodells beginnt die Arbeit der Projektgruppe in der Phase 2 „Zielsetzung“ und endet mit der Phase 5 „Evaluation“. Vereinfacht formuliert übernimmt die Projektgruppe alle in diesen Phasen anfallenden Aufgaben; konkretisiert man die Aufgaben, ergibt sich die folgende (unvollständige) Liste:

  • Konkretisierung der Problemstellung, etwa durch die Ist-Analyse, die Formulierung der daraus abgeleiteten Ziele, die Aufstellung eines Soll-Konzeptes bzw. Pflichtenheftes, die Vorbereitung der Entscheidung für die endgültige Auswahl einer Lösung, die Implementierung der Lösung sowie u.U. dessen Evaluierung, wobei diese Aufgabe meist in anderen Händen liegen wird.

Die Projektgruppe wird diese Vielfalt an Aufgaben nicht allein übernehmen. Je nach konkretem Anlass werden weitere betriebsinterne Akteure oder externe Beratungsunternehmen die Projektgruppe unterstützen. Auch die Entscheidungsfindung obliegt nicht der Projektgruppe; sie wird Entscheidungen vorbereiten, das Für und Wider abwägen, eine Präferenz abgeben, aber in den meisten Fällen nicht selbst entscheiden; das bleibt der Geschäftsführung vorbehalten.

  • Um diese Aufgaben bewältigen zu können, kommt der Projektgruppe „die zentrale Aufgabe zu, die Wissens- und Informationsströme zwischen den beteiligten unterschiedlichen fachlichen Disziplinen, Akteuren und häufig räumlich verteilten Orten der Produktions- und Dienstleistungsprozesse zu regulieren, zu verarbeiten und weiterzuentwickeln“ (Heidling 2018: 207).
  • Neben dem fachlichen Aspekt – bzw. mit ihm verknüpft – übernimmt die Projektgruppe Teile der Kommunikation mit der Belegschaft sowie den einzubindenden Unternehmensbereichen und organisiert die Mitwirkung der Beschäftigten und Führungskräfte. Je nach konkreter Ausgestaltung hat die Projektgruppe dabei weitreichende Kompetenzen und Weisungsbefugnisse, um die Mitarbeit der beteiligten Akteure sicherzustellen (vgl. Kalkowski 2017).
  • Berichterstattung an die zuständigen Gremien (Geschäftsleitung, Betriebsrat etc.) und Dokumentation des Veränderungsprozesses (vgl. Bergmann/Garrecht 2021: 327 f.)

Die Vielfalt und der Umfang der Projektaufgaben belegt nicht nur die Bedeutung der Projektgruppe für den betrieblichen Veränderungsprozess, sondern zeigt zugleich ihren Einfluss auf die Gestaltung des zukünftigen Status quo. Vor diesem Hintergrund ist die Auswahl der Projektgruppenmitglieder ein nicht zu vernachlässigender Part im gesamten Veränderungsprozess.

Wie setzt sich eine Projektgruppe zusammen?

Die Antwort auf diese Frage muss verschiedene Facetten berücksichtigen: Größe der Projektgruppe, Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen der Projektgruppenmitglieder, deren hierarchische Stellung im Unternehmen sowie Berücksichtigung der diversen betrieblichen Funktionsbereiche.

Größe der Projektgruppe

Man könnte es sich einfach machen: Die Projektgruppe muss so groß wie nötig sein. Das ‚nötig‘ würde aus dem geschätzten Arbeitsaufwand für die Bearbeitung des Veränderungsprojektes resultieren. Diese, auf Sachargumenten beruhende Argumentation vernachlässigt indes die mikropolitische Aufgeladenheit einer Veränderungssituation: Veränderungen fördern Unsicherheit (Akzeptanz) und Frustration angesichts von Veränderungen in Permanenz („Welche Sau wird jetzt wieder durchs Dorf getrieben?“) oder der Erfahrung, dass Projekte vielfach wirkungslos verpuffen (vgl. Pinnow 2017: 147) oder den Betroffenen keine spürbare Verbesserung bringen.

In der Beratungsliteratur wird vielfach eine Projektgruppengröße von drei bis acht Mitgliedern vorgeschlagen (vgl. Freitag 2016: 322; Stolzenberg/Heberle 2006: 133). Die jeweils konkrete Gruppengröße orientiert sich u.a. an den Projektinhalten:

„Größere Gruppen sind in der Regel leistungsstärker, wenn Informationen beschafft und ausgewertet werden müssen, kleinere Gruppen sind in der Umsetzung effektiver, wenn rasches Handeln gefragt ist.“

(Freitag 2016: 323)

Aus der Praxis:

In allen VISITS-Projektunternehmen gab es eine Projektgruppe oder zumindest einen Projektverantwortlichen, wobei Teile der Ist-Analyse und der Ausformulierung der Projektbeschreibung mit dem wissenschaftlichen Partner durchgeführt wurden. In dem kleinen Unternehmen war der Geschäftsführer gleichzeitig der Projektverantwortliche, der sich bei Bedarf Unterstützung bei geeigneten Beschäftigten gesucht hat. Aufgrund der Unternehmensgröße ist die Beschränkung auf einen Projektverantwortlichen nachvollziehbar und sinnvoll. Auch in einem anderen Unternehmen gab es de facto nur einen Projektverantwortlichen, der in enger Abstimmung mit dem Geschäftsführer handelte; hier unterstützte zusätzlich der VISITS-Technologiepartner die Konkretisierung der digitalen Lösung. Der Projektverantwortliche leitete den ausgewählten Pilotbereich.

Lediglich in einem Unternehmen agierte eine dreiköpfige Projektgruppe aus IT-Fachleuten; aus den betroffenen Unternehmensbereichen war niemand in der Projektgruppe. Diese Beschäftigten wurden indes mittels einer Workshopreihe in die Problemdefinition und Lösungssuche eingebunden.

Da es sich in den beiden ersten Unternehmen um vergleichsweise überschaubare, gut abgrenzbare Probleme handelte, war die Größe der „Projektgruppe“ nachvollziehbar – insbesondere, wenn ein Unternehmen nur gut 20 Beschäftigte hat, sind größere Projektgruppen kaum denkbar; in diesen Fällen ist die intensivere Einbindung der Betroffenen umso zwingender.

Wer soll in der Projektgruppe mitwirken?

Unstrittig ist, dass in die Projektgruppe fachlich versierte Beschäftigte aufgenommen werden sollen, die aus – interdisziplinärer – Perspektive fundierte Beiträge zu der Problemstellung und deren Lösung beisteuern können. Eine mögliche Zusammensetzung könnte wie folgt aussehen:

  • „interne Spezialisten mit dem notwendigen Methodenwissen zur organisatorischen Gestaltung,
  • Mitarbeiter der betroffenen Bereiche mit dem nötige Spezialwissen,
  • bei Bedarf zusätzliche Spezialisten als Berater, entweder aus anderen Bereichen oder von extern“ (Bergmann/Garrecht 2021: 325).

Vor dem Hintergrund des partizipativ angelegten VISITS-Vorgehensmodell ist anzuraten, eine Person aus der Mitarbeitervertretung (Betriebsrat, alternative Gremien etc.) in die Projektgruppe zu integrieren (Partizipation); gerade bei Lösungen, die auf Digitalisierungstechnik setzen, tauchen Fragen, etwa der Leistungskontrolle oder des Datenschutzes, auf, die beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung zu klären wären.

Ein zweiter Aspekt sind die Hierarchieunterschiede in der Projektgruppe: Sind die Unterschiede zu groß, wird sich kaum eine vertrauensvolle, nicht durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis geprägte Zusammenarbeit ergeben. Vielfach, so zeigen Studien, sind Führungskräfte in den Projektgruppen:

„Mitglieder von Projektgruppen sind weniger Personen der unteren Hierarchieebenen, sondern in erster Linie Mitglieder der mittleren Führungsebene.“

(Schaper 2019: 444)

Bei dieser Zusammensetzung würde das Problem der Hierarchieunterschiede entfallen.

Drittens sind neben der fachlichen Kompetenz Mitglieder zu gewinnen, die über Sozialkompetenz verfügen. Veränderungsprojekte lösen häufig Skepsis, wenn nicht gar Ängste bei den Betroffenen aus. Man muss nicht dem Vorurteil anhängen, dass „die besten Fachleute oft aufgrund weniger stark ausgeprägter Sozialkompetenzen ggf. noch nicht in der Lage sind, gut in einem – aus unterschiedlichen Unternehmens- oder Funktionsbereichen zusammengesetzten – Projektteam zusammenzuarbeiten“ (Bergmann/Garrecht 2021: 327), um die Notwendigkeit von Sozialkompetenz in einer Projektgruppe zu erkennen. Das bezieht sich sowohl auf die interne Kommunikation und Interaktion in der Projektgruppe als auch auf die Einbeziehung der betrieblichen Akteure in den Veränderungsprozess, bei der sowohl das Fachwissen als auch Sozialkompetenz erforderlich sind.

Ein vierter Aspekt ist die Berücksichtigung des seit einigen Jahren intensiver diskutierten Diversity Managements. Dabei geht es nicht nur um die disziplinäre Diversität, die „die Kreativität und die Qualität der Entscheidungsfindung (steigert)“ (Freitag 2016: 323), sondern auch um „die Verschiedenartigkeit der Gruppenmitglieder – etwa nach ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht, Lebensalter, sexueller Orientierung, fachlicher Ausrichtung etc.“, die – so die Vermutung – „anregend, aktivierend und somit leistungssteigernd wirkt“ (von Rosenstiel 2012: 142). Für den VISITS-Zusammenhang sind von besonderer Relevanz die Heterogenität in den Projektgruppen in Bezug auf fachliche Hintergründe, eine bestimmte disziplinäre, kulturelle Verankerung (mit anderen Fachkulturen und Denkstilen [vgl. Bergmann/Garrecht 2021: 358]) sowie Geschlecht und Alter. Diese Vielfalt innerhalb einer vergleichsweise kleinen Projektgruppe birgt jedoch Risiken: „Heterogenität (…) beinhaltet die Gefahr des Missverstehens, der wechselseitigen Unterstellung und des Konflikts. Wird im Rahmen einer Teamentwicklung nicht explizit auf diese Schwierigkeiten hingewiesen und der Umgang miteinander trainiert, so sind bei hoher Diversity eher schlechte Leistungen und ein belastendes Gruppenklima zu erwarten.“ (von Rosenstiel 2012: 142 f.)

Was müssen die Mitglieder der Projektgruppe mitbringen?

Bevor es um die im engeren Sinne notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen geht, müssen die Projektmitglieder Eigeninteresse und Motivation für das Projekt mitbringen (Freitag 2016: 322), zumal die Projektarbeit in der Regel zusätzlich zum ‚normalen Geschäft‘ erledigt werden muss. Zwangsverpflichtungen für die Projektarbeit sind somit für den Projekterfolg kontraproduktiv.

Manche Qualifikations- und Kompetenzvoraussetzungen, die die Projektgruppenmitglieder aufweisen sollten, deuteten sich schon an: Fachliches Wissen ist eine zwingende Bedingung, aber auch ohne Sozialkompetenz geht es nicht. In der Praxis wird die Auswahl der Mitglieder meist nach der fachlichen Qualifikation vorgenommen (vgl. Stolzenberg/Heberle 2006: 133); darüber hinaus „sollten (die Projektteammitglieder) die Gesamtzusammenhänge im Bereich gut kennen“ (Bergmann/Garrecht 2021: 326).

Aus der Praxis:

In einem VISITS-Projektunternehmen wurden bei der Zusammensetzung der Projektgruppe nur IT-Fachleute aus der FuE-Abteilung ausgewählt, was aus dem langen Vorlauf der Projektentwicklung resultierte und somit quasi historisch bedingt war. Das zu lösende Interaktionsproblem stammte jedoch aus dem operativen Projekt- und Servicegeschäft, von dem die Mitglieder der Projektgruppe keine vertieften Kenntnisse hatten. Dementsprechend problematisch war die Problemdefinition als Ausgangspunkt der weiteren Projektbearbeitung. Die Mitwirkung der betroffenen Abteilungen in der Projektgruppe hätte diesen Prozess zumindest beschleunigt.

Übersehen werden vielfach die erforderlichen Sozialkompetenzen, die „für den Erfolg des Projekts von entscheidender Bedeutung“ (Bergmann/Garrecht 2021: 326) sind. Das betrifft beispielsweise „die Bereitschaft zu kooperativer Arbeit mit Mitarbeitern aus anderen Organisationseinheiten, die Fähigkeit, neue Ideen zu entwickeln, geistige Beweglichkeit, Improvisationsbereitschaft, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz“ (Bergmann/Garrecht 2021: 326). Werden die erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen etwas systematischer aufgeführt, erhält man neben der beruflichen Qualifikation diverse Kompetenzanforderungen, die in Abb. 1 zusammengefasst sind.

Abb. 1: Kompetenzen für Projektarbeit (eigene Darstellung nach Freitag 2016: 321)

Funktion der Projektleitung

Gerade bei größeren Gruppen ist die Funktion der Projektleitung erforderlich; sie erfüllt eine Reihe von Aufgaben (vgl. zum Folgenden Bergmann/Garrecht 2021: 327 f.):

  • Beteiligung an der Auswahl der Projektmitglieder
  • Koordination der Projektplanung und des Projektteams: Festlegung des Vorgehens, Aufgabenverteilung, Definition von Terminen, Kommunikation mit den betroffenen Unternehmensbereichen etc.
  • Überwachung des Projektfortschritts sowie der Einhaltung von Budget und Zeitplan
  • Koordination externer Projektmitglieder (z.B. Softwarehäuser, Beratungsunternehmen)
  • Berichterstattung, Projektdokumentation, Entscheidungsvorbereitung

Demzufolge sind die Anforderungen an die Projektleitung hoch: Sie muss sowohl fachliche Kenntnisse haben als auch die Projektmitglieder motivieren, mit den Betroffenen und der Geschäftsleitung kommunizieren und sie überzeugen, über Organisationsgeschick verfügen und – wenn es schiefläuft – als „Sündenbock“ (Bergmann/Garrecht 2021: 329) herhalten.

Herausforderungen für Projektgruppen

Die Projektgruppe gilt als unabdingbares Element einer gelingenden Veränderungsmaßnahme. Nur ihr Fachwissen, ihre Organisationskenntnisse und die in der Projektgruppe versammelte Sozialkompetenz können letztlich zum Erfolg des Projektes führen. Jetzt sind es indes Binsenweisheiten, dass weder Gruppen immer harmonisch miteinander interagieren, noch Projekte – unter der Voraussetzung einer funktionierenden Projektgruppe – per se erfolgreich sind. Es gibt, so die Folgerung, bestimmte Herausforderungen, die im Vorfeld von der Geschäftsführung oder von der Projektgruppe zu bewältigen sind.

Parallelität Linienorganisation und Projektgruppe

Zu einer im Vorfeld zu klärenden Frage zählt die Parallelität der Zugehörigkeit der Projektgruppenmitglieder. In den Veränderungsprojekten arbeiten die Mitglieder in der Regel nur zeitweise, das heißt, dass sie neben ihrer Tätigkeit im Projekt parallel ihrem Tagesgeschäft nachgehen müssen (vgl. Heidling 2018: 210; vgl. Kalkowski 2017: 264) – was meistens den größeren Anteil der Arbeitszeit einnehmen wird:

„Deshalb entstehen bei der Realisierung von Projekten häufig Widersprüche und Spannungsfelder zwischen den stabilen Linienstrukturen und den temporären Projektstrukturen bezogen auf Ressourcen, Zielsysteme und Organisationsgrenzen.“

(Heidling 2018: 207)

Studien zeigen, dass meist die Projekte in dem Konflikt mit der Linienorganisation unterliegen, „die weiterhin über die zentralen Ressourcen verfügt (Kapital, Steuerung des Arbeitseinsatzes der in den Projekten häufig nur temporär beschäftigten Experten, zeitliche Vorgaben) und ihre dominante Stellung in der Unternehmensorganisation behält“ (Heidling 2018: 213). Die Projektbeschäftigten sind als „‘Diener zweier Herren‘ (…) häufig Loyalitätskonflikten ausgesetzt“ (Kalkowski/ Mickler 2002: 124). Das schlägt sich auch in der Funktion Projektleitung nieder, da die Projektleitung in der Regel keine direkte Anweisungsbefugnis hat; diese liegt weiterhin bei der Linienführungskraft (vgl. Kalkowski/ Mickler 2002: 124).

Deshalb müssen vor dem Einsetzen der Projektleitung und der Projektgruppe Richtlinien formuliert werden, die u.a. die Dauer der Projektarbeit, deren Umfang und den Anspruch der Projektleitung auf die Arbeitskraft des Projektmitglieds betreffen (vgl. Bergmann/ Garrecht 2021: 326). Zudem ist zu gewährleisten, dass die Projektmitglieder realiter von Teilen ihrer üblichen Aufgaben entlastet werden: Projektarbeit ‚on top‘ ist wenig motivationsförderlich für die Projektmitglieder. Sind diese Fragen geklärt, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Projektmitglieder eben nicht „die Zeit ‚back to normal business‘“ (Freitag 2016: 148) herbeisehnen.

Das Wir-Gefühl als Erfolgsfaktor

Projektarbeit ist immer auf eine unsichere Zukunft gerichtete Tätigkeit; keiner weiß, ob der Projektplan am Ende wirklich aufgehen wird. Damit die Unwägbarkeiten bezwungen werden können, sind neben einer hohen intrinsischen Motivation eines jeden Projektmitglieds und der Projektleitung ein Miteinander im Projekt, die sog. Kohäsion, und die Überwindung des üblichen Bereichsdenkens unerlässlich:

„Das Arbeitshandeln in Projekten ist sehr viel stärker auf Kooperation und Kommunikation unterschiedlicher Funktionsbereiche und Abteilungen ausgerichtet, die in ihren Prozessen traditionell getrennt voneinander agieren und häufig nur mittels der Übergabe ihrer jeweiligen Ergebnisse miteinander kommunizieren und kooperieren.“

(Heidling 2018: 213)

Bergmann und Garrecht verwenden in diesem Zusammenhang den kernigen Begriff des „echten Teams“. (2021: 326) „Echte Teams“ (haben) „einen gemeinsamen Arbeitsansatz, (verfügen) über sich ergänzende Fähigkeiten der Teammitglieder und jedes Projektteammitglied fühlt sich für die gemeinsamen Ziele und somit für den Erfolg sowie für die anderen Teammitglieder verantwortlich“ (Bergmann/Garrecht 2021: 326). Dieser Zusammenhalt als ‚echtes Team‘ ist insbesondere mit Blick auf die erforderliche Interaktionsarbeit nicht voraussetzungsfrei und von verschiedenen begünstigenden und behindernden Faktoren ab (Abb. 2).

Abb. 2: Kohäsionsfördernde und -hemmende Faktoren (eigene Darstellung nach Begmann/Garrecht 20021: 24; Nerdinger 2019: 123)

Ein kurzes Fazit

Veränderungsprojekte haben ihre Tücken, die u.a. in der Unsicherheit über die Zukunft liegen oder den Reaktionen der beteiligten und betroffenen betrieblichen und überbetrieblichen Akteure: Planung hat also ihre Grenzen! Um diese Grenzen ein wenig ‚nach hinten zu schieben‘, ist die Einrichtung einer Projektgruppe ein verfolgenswerter Ansatz, sofern auf der Geschäftsleitungsebene nicht versucht wird, mit der Projektgruppe im Falle eines Misserfolgs lediglich einen Schuldigen präsentieren zu können. Nimmt man die Projektgruppe ernst, bereitet deren Wirken mit Sachverstand vor (Auswahl der ‚richtigen‘ Mitglieder, Bereitstellung von Ressourcen, Entscheidungskompetenzen etc.), wird die Arbeit der Projektgruppe den Projekterfolg nicht garantieren, aber erwartbarer machen.

Literatur

Bergmann, R., Garrecht, M. (2021): Organisation und Projektmanagement. 3. Aufl. Berlin.

Freitag M. (2016): Kommunikation im Projektmanagement. 2. Aufl. Wiesbaden.

Gukenbiehl, H., Schäfers, B. (1992): Gruppe. In: B. Schäfers (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden, S. 117-121.

Heidling, E. (2018): Projektarbeit. In: F. Böhle, G. Voß, G. Wachtler (Hrsg.): Handbuch Arbeitssoziologie. Band 2: Akteure und Institutionen. 2. Aufl. Wiesbaden, S. 207-236.

Kalkowski, P. (2017): Projekte (Projektarbeit, Projektmanagement). In: H. Hirsch-Kreinsen, H. Minssen (Hrsg.): Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie. 2. Aufl. Baden-Baden, S. 262-264.

Kalkowski, P. & Mickler, O. (2002): Zwischen Emergenz und Formalisierung – Zur Projektifizierung von Organisation und Arbeit in der Informationswirtschaft. In: SOFI-Mitteilungen, Heft 30, S. 119-134.

Miebach, B. (2017): Handbuch Human Resource Management. Wiesbaden.

Nerdinger, F. (2019): Teamarbeit. In: F. Nerdinger, G. Blickle, N. Schaper(Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. 4. Aufl. Berlin, S. 119-134.

Pinnow, D. (2017): Change Management durch systemische Führung. In: B. Rosenberger (Hrsg.): Modernes Personalmanagement. 2. Aufl. Wiesbaden, S. 147-154.

von Rosenstiel, L. (2012): Einführung. In: L. von Rosenstiel, E. von Hornstein, S. Augustin (Hrsg.): Change Management Praxisfälle. Berlin/Heidelberg, S. 139-147.

Schaper, N. (2019): Gruppenarbeit in der Produktion. In: F. Nerdinger, G. Blickle, N. Schaper (Hrsg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. 4. Aufl. Berlin, S. 435-462. Stolzenberg, K., Heberle, K. (2006): Change Management. Heidelberg.