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Neue Geschäftsmodelle in Technischen Services

Neue Geschäftsmodelle in Technischen Services

Im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen rund um Digitalisierung und Vernetzung sehen Unternehmen große Potentiale, durch innovative, neue Geschäftsmodelle ihren Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern. Wenn man internationale Studien (vgl. IBM 2015; Boston Consulting Group 2009) betrachtet, so ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Geschäftsmodellinnovationen insbesondere bei den Unternehmensführungen deutlich gestiegen: 70-80% der befragten Unternehmen geben auf Führungsebene an, bereits an neuen Geschäftsmodellen zu arbeiten und sehen dies als wichtigen Bestandteil der strategischen Unternehmensführung an. (IBM Corporation 2015; Höhmann 2014, Lindgardt et al. 2009)

Auch Unternehmen des Technischen Service müssen ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Verstetigung der Konkurrenzsituation zwingt viele Kunden zu Kosteneinsparungen während der Nutzungsphase ihrer technischen Anlagen und Systeme. Durch effiziente Nutzungsszenarien mit geringer Ausfallquote, effektiver Abhilfemaßnahmen und hohen Maschinenlaufzeiten versprechen sie sich unmittelbare Produktivitätsgewinne – die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Produktion steigt und störungsbedingte Stillstände werden minimiert. Diese Erwartungen der Kunden bedeuten, individuelle, bedarfsgerechte Serviceleistungen anbieten zu müssen, beispielsweise in Abhängigkeit von der spezifischen Anlagenauslastung oder proaktiven Wartungsmaßnahmen, damit es nicht zum Stillstand in der Produktion durch Störungen kommt. Gezahlt wird vom Kunden nur das, was tatsächlich an Leistung erbracht wird. Die aktuell typische Abwicklung über Servicerahmenverträge und Abrechnung nach Standardleistungsverzeichnissen wird diesen individuellen Kundenbedarfen nicht mehr gerecht und erfordert Veränderungen der Geschäftsmodelle im Technischen Service.

Begriff: Was sind „Geschäftsmodelle“?

Schlägt man den Begriff Geschäftsmodell im Lexikon nach, findet sich folgende Definition: Ein Geschäftsmodell ist „eine modellhafte Repräsentation der logischen Zusammenhänge, wie eine Organisation bzw. ein Unternehmen einen Mehrwert für Kunden erzeugt und einen Ertrag für die Organisation sichern kann“ (Grösser 2018). Im Großen und Ganzen geht es also um die Frage „Wie verdiene ich mit meinen Leistungen Geld?“ Auch wenn in diesem Zusammenhang häufig von neuen Ertragsmodellen, wie „Pay per Use“ oder von „Abo- bzw. Betreibermodellen“, gesprochen wird, steckt hinter dieser Frage deutlich mehr, als sich zunächst vermuten lässt.

Eine immer wieder hervorgehobene Herausforderung bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist die Notwendigkeit, die etablierte Logik und Funktionsweise einer Branche neu zu denken. Das schließt Veränderungen der Beziehungen zwischen Kunden, Lieferanten und auch Wettbewerbern genauso mit ein (externe Dimension des Geschäftsmodells), wie Veränderungen des eigenen Leistungsangebotes, der Art und Weise, wie diese Leistung erbracht wird, und welcher Mehrwert den Kunden versprochen werden kann (interne Dimension des Geschäftsmodells). Marktleistungen müssen also neu entwickelt, Nutzenversprechen ausgestaltet, Kundensegmente und Vertriebskanäle identifiziert und das notwendige Wertschöpfungsnetz aufgebaut werden. Gleichzeitig zeigt sich die Tragfähigkeit neuer Geschäftsmodelle in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt der Erprobung und ist darum mit großer Unsicherheit verbunden. Insofern überrascht es nicht, dass insbesondere KMU mit 6% bislang kaum Geschäftsmodellinnovationen umgesetzt haben (Echterhoff 2018; Emperica et al. 2014).

Abb. 1: Geschäftsmodell-Dimensionen (eigene Darstellung i.A.a. Gassmann et al. 2017; Schuh et al. 2017)

Zusammengefasst sind die Kerndimensionen eines Geschäftsmodells und zugehörige Fragestellungen, auf die eine Antwort gefunden werden muss, die Folgenden (Gassmann et al. 2017):

  • Kunden(-segment): Wer sind die Kunden? (externe Dimension)
  • Werteversprechen: Was wird den Kunden angeboten? (externe Dimension)
  • Wertschöpfungskette: Wie wird die Leistung hergestellt? (interne Dimension)
  • Ertragsmodell: Warum ist das Geschäftsmodell profitabel? (interne Dimension)

Die Neugestaltung des Zusammenspiels dieser vier Dimensionen und damit insbesondere der Passung zwischen den internen und externen Dimensionen ist die Herausforderung bei der Gestaltung von Geschäftsmodellinnovationen. Etablierte Analyse-Methoden sind z.B. der Business Model Canvas (Osterwalder/Pigneur 2010) oder der Value Proposition Canvas (Osterwalder et al. 2015), um Fragen nach der Generierung von Werten für die Kunden zu fokussieren.

Geschäftsmodell-Trends im Technischen Service

Generell ist die Geschäftsmodellinnovation eine unternehmensspezifische Aufgabe, die sowohl mit kreativen Ansätzen als auch weitreichender Branchen- und Markterfahrung angegangen werden muss. Es existieren dennoch spezifische Trends und Muster, die Impulse zur Übertragung bieten und für den Technischen Service im Folgenden beispielhaft zusammengefasst werden. Dabei sind die Beispiele nicht trennscharf abgegrenzt, sondern greifen aktuelle Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven und Ausgangssituationen auf.

Digitale bzw. datengestützte Geschäftsmodelle und Serviceplattformen

Durch die neuen technischen Möglichkeiten und die damit verbundene steigende Anlagenkomplexität gewinnt für den Technischen Service das Thema digitaler oder datengestützter Geschäftsmodelle stark an Bedeutung. Um Prozesszeiten zu verkürzen, investieren Unternehmen in smarte Lösungen und neue Instandhaltungskonzepte im Kontext von Digitalisierung, wie z.B. Smart oder Predictive Maintenance. Zur Realisierung setzen Industrie und Technischer Service große Hoffnungen auf neue digitale Hilfsmittel und Kundenschnittstellen, die den Austausch von relevanten (Anlagen-)Daten, Dokumenten und Informationen in Echtzeit ermöglichen sollen. Die Potentiale dieser Entwicklung sind ebenso vielfältig wie ihre Herausforderungen. So müssen technisch die einbezogenen Maschinen und Anlagen mindestens Zustandsdaten übertragen – besser noch reale und geplante Nutzungsinformationen. Neben der notwendigen Sensorik gewinnen damit Datensicherheits- und Geheimhaltungsthemen an Bedeutung. Wenn Daten vorhanden sind, gilt es, diese intelligent auszuwerten und daraus Handlungsempfehlungen für Instandhaltungs- und Wartungsmaßnahmen beim Kunden abzuleiten.

Auf das gesamte Geschäftsmodell bezogen kann ein Ziel sein, statt einer einmaligen Zahlung eine nutzungsabhängige und wiederkehrende Abrechnung von Maschinen und Anlagen zu erreichen und damit die Kundenbindung zu intensivieren. Die Vorteile für den Kunden zeigen sich z.B. in vermeidbaren hohen Investitionen bei Neu- oder Ersatzanschaffungen und aufgrund einer höheren Anlagenverfügbarkeit in der Risikominimierung von Produktionsausfällen. Diese direkt umsatzwirksame Gewährleistung der Anlagenverfügbarkeit stellt neue Anforderungen an die Leistungserstellung Technischer Services: Die Aufgaben der Planung und Auslösung von Instandhaltungs- und Wartungsmaßnahmen wechseln vom Kunden zum Dienstleister und müssen effizient gestaltet werden. Diese Entwicklung zu sogenannten Betreibermodellen, bei denen der Serviceanbieter die komplette Verantwortung der Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der Anlagen beim Kunden übernimmt und damit die notwendigen Prozesse selbst wirtschaftlich und effektiv plant und durchführt, setzt digitale, datengetriebene Innovationen voraus. Hierzu gehören z.B. Remote Support über Datenbrillen oder die Bereitstellung von Dokumentationen über Industrie-Tablets oder digital gestützte Monitoring-Systeme, die auf Basis von echtzeitnahen Maschinendaten Auskunft über den aktuellen Anlagenzustand geben können.

Aus der Praxis: Beispiel Serviceplattform

Das Unternehmen RegTec will die inner- und zwischenbetriebliche Vernetzung mit Kunden im Sinne von Betreibermodellen bzw. als kooperatives Geschäftsmodell (z.B. digital gestützte Monitoring-Systeme) aufbauen, die es in dieser Form bislang noch nicht gibt. Dafür strebt das Unternehmen für seine beim Kunden installierten Prozessanlagen nicht nur den Austausch von Daten, Dokumenten und Informationen in Echtzeit an, sondern plant zugleich eine notwendige Intensivierung der Interaktionsbeziehungen mit den Kunden. Dadurch werden Veränderungen der aktuellen Arbeitsweisen sowie der Interaktion der Beschäftigten intern und mit dem Kunden erwartet: Dies führt zu vermehrt auf Kooperation beruhenden Arbeitsweisen und sich dynamisch intensivierenden Interaktionen aller Beteiligten. RegTec verspricht sich hieraus einen größeren Nutzen sowohl für das eigene Unternehmen als auch den Kunden.

Ein angrenzendes Feld für Geschäftsmodellinnovationen sind digitale Plattformlösungen. Der Grundgedanke von Plattformen ist die einfache Zusammenführung von Angebot und Nachfrage und die Abwicklung von Transaktionen. Je nachdem, ob die Plattform für alle Anbieter offensteht oder eine Selektion stattfindet, wird zwischen offenen und geschlossenen Plattformen unterschieden – manchmal ist der Betreiber der Plattform der einzige Anbieter. Ein großer Nutzen von Plattformen im Allgemeinen ist die Reduzierung des Aufwands für den Informations- und Leistungsaustausch (Transaktionskosten).

Im Technischen Service werden zunehmend Plattformen mit verschiedenen Ausrichtungen realisiert. Digitale Plattformlösungen zur Auftragsabwicklung bieten Kunden den Vorteil, alle Leistungsangebote des Unternehmens auf einen Blick transparent dargestellt zu bekommen und diese modular zusammenstellen zu können. Serviceplattformen hingegen ermöglichen eine bedarfsgerechte Bündelung von Leistungen verschiedener Unternehmen (z.B. unterschiedliche Anbieter oder Servicedienstleister der einzelnen Komponenten einer Anlage) zu einem gemeinsamen kundenspezifischen Leistungsangebot. Zusätzliches Potential für solche Plattformen bietet die Integration zusätzlicher, meist digitaler, Mehrwertdienste für die Nutzer der Anlagen und integrieren weitere, oft auch neue, Marktteilnehmer in die Plattformen des Technischen Service.

Neben dem allgemeinen Vorteil, die Transaktionskosten für alle Plattformbeteiligten zu senken, sind für den Plattformbetreiber Transaktionsgebühren ein neues Geschäftsfeld. Das Angebot von unternehmensübergreifenden Leistungsbündeln bietet insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen des Technischen Services das Potential einfach an komplexeren Aufträgen beteiligt zu werden. Darüber hinaus bieten digitale Plattformen eine technische Grundlage, um neue Werteversprechen mit digitalen Angeboten gegenüber den Kunden zu erweitern.

Herausforderungen bei der Entwicklung und Etablierung von Plattformen ist nicht nur, die technischen Schnittstellen solcher Plattformen funktional und einfach zu gestalten, um verschiedene Kunden und Anbieter überhaupt integrieren zu können. Das Angebot von Leistungsbündeln setzt eine Abbildung der komplexen Abhängigkeiten und Leistungsbausteine auf der digitalen Plattform sowie bei unternehmensübergreifenden Bausteinen eine Unterstützung des Datenaustauschs, oder besser: der gesamten Zusammenarbeit, voraus. Grundlegende Herausforderung aller Plattformen ist, eine kritische Masse an Nutzern zu erreichen – nur dann stellt sich für alle Teilnehmer der Nutzen ein und die Entwicklungskosten können gerechtfertigt werden.

Dieser weitere Trend in Richtung einer sog. Plattformökonomie und zwischenbetrieblichen Vernetzung von verschiedenen und wechselnden Akteuren beeinflusst die Arbeits- und Servicekooperationen in Technischen Service maßgeblich – nicht nur mit Blick auf die Anbieter-Kunden-Konstellation, sondern auch mit Blick auf Wettbewerber als potentielle Servicepartner.

Auch wenn digitale und datengetriebene Geschäftsprozesse die notwendige Voraussetzung bilden, lässt sich diese Komplexität nicht durch einen ausschließlich technisch vermittelten Daten- und Informationsaustausch bewältigen. Vielmehr wird der eigentliche Mehrwert, angesichts veränderter Kontextbedingungen, durch die unterstützende Interaktion zwischen den jeweils verantwortlichen Beschäftigten der einzelnen Unternehmenspartner erzielt, beispielsweise im Rahmen gemeinsamer Abstimmungs-, Beauftragungs- und Dokumentationsprozesse.

Servitization und Interaktion: Dienstleistungsorientierung als Kern neuer Geschäftsmodelle

Mit „Servitization“ ist die „schrittweise Wandlung von Industrieunternehmen als Anbieter ausschließlich tangibler [also anfassbarer, realer] Produkte hin zu Dienstleistungsunternehmen“ gemeint (Geigenmüller 2017, S. 126). Dieser Trend der verstärkten Dienstleistungsorientierung macht im Wesentlichen zwei Dinge deutlich:

Zum einen verschärft sich die Wettbewerbssituation für Technische Servicedienstleister zusätzlich: Die Anbieter von Produktionstechnik bieten zunehmend selbst Technische Services an und wandeln sich vom Hersteller zum Lösungsanbieter und treten damit verstärkt in Konkurrenz zu den klassischen Anbietern Technischer Services.

Zum anderen gewinnen Unternehmen des Technischen Service, als bereits etablierte industrielle Dienstleiter, weiterhin zunehmend an Bedeutung. Insbesondere vor dem Hintergrund fortschreitender Digitalisierung und Marktveränderungen haben Technische Service Unternehmen großes Potential, ins Zentrum der Digitalisierungsstrategien ihrer Kunden zu rücken. In der aktuellen Debatte werden Technische Services nicht selten als „Herzstück der Vision einer Industrie 4.0“ gehandelt. (Michalik/Bärenfänger-Wojciechowski 2017; acatech 2015) Der zentrale Punkt ist weniger, dass es immer mehr Dienstleistungen gibt, sondern dass die angebotenen Dienstleistungen, gerade im Technischen Service, anders sein müssen (z.B. individueller oder innovativ). Es muss auf die gestiegenen, neuen und sich verändernden Kundenerwartungen eingegangen werden. Technische Services stehen also vor der Herausforderung, verstärkt individualisierte Leistungen für ihre Kunden anzubieten. Dazu gehört u.a. die Anpassung oder Erweiterung des Service-Portfolios, das neben den klassischen Instandhaltungsarbeiten wie Wartung, Inspektion, Instandsetzung auch erweiterte Aufgaben wie beispielsweise das Ersatzteilmanagement und weitere Beratungsdienstleistungen zu beispielsweise leistungsabhängigen und proaktiven Instandhaltungsstrategien und Prozessverbesserungen im Allgemeinen umfassen kann.

Abb. 2: Customer Value Co-Creation Prozess (eigene Darstellung nach Mütze, Gerloff 2020)

Um als Technischer Servicedienstleister die „richtige“ Lösung zu finden und den „richtigen“ Weg zu gehen, ist es notwendig, die individuellen Bedürfnisse, Wünsche und konkreten Problemlagen der verschiedenen Kunden genau zu kennen. Hier kann die Besonderheit des Technischen Services, nämlich die bereits bestehende enge Vernetzung mit Kunden, Lieferanten und weiteren Partnern sowie der arbeitsprozessbezogene intensive Austausch auf Beschäftigtenebene mit dem Kunden, ein strategischer Vorteil sein. Diese „Ko-Produktion“ und der systematische Austausch von Wissen, beispielsweise bei der Abstimmung über erforderliche Verfügbarkeit eines konkreten Maschinentyps beim Kunden oder die geplanten Wartungsintervalle, bilden für den Kunden die Voraussetzung für die Vergabe eines weiteren Auftrags. Gleichzeitig werden in dieser ko-produktiven Arbeit wertvolle Informationen über die Bedürfnisse, Problemlagen und Potentiale des Kunden gewonnen, die für die serviceorientierte Weiterentwicklung des kundenspezifischen Leistungsangebots sowie für die Ausgestaltung neuer (smarter) Geschäftsmodelle zu nutzen gilt.

Interaktive Arbeit mit Kunden: Ko-Kreation neuer Services

Diese vertraute Kundenbeziehung als Besonderheit der Ko-Produktion birgt Potentiale zur ziel- und bedarfsgerechten Weiterentwicklung des Leistungsangebots: „Ich als Unternehmen des Technischen Service weiß, wo bei meinem Kunden ‚der Schuh drückt‘ und was als Dienstleister von mir erwartet wird. Das weiß ich nicht nur bei einem Kunden, sondern idealerweise bei allen Kunden und kann mit diesem Wissen meine eigenen Angebote anpassen oder neue gestalten.“

Den Hoffnungen auf Realisierung dieser Potentiale steht in der Regel ein anderer Begriff gegenüber – nämlich „Realität“. So liegt dieses Wissen über die konkreten Bedürfnisse der Kunden häufig primär in den Köpfen derjenigen Beschäftigten, die operativ und eng mit den Beschäftigten des Kunden vor Ort zusammenarbeiten und das sich durch langjährige Austausch- und Kooperationsbeziehungen sowie Erfahrungen entwickelt hat. Dieses besondere Wissen für das Unternehmen und die strategische Weiterentwicklung nutzbar zu machen, ist eine zentrale Herausforderung, bei der digitale Technologien (z.B. digitale Kundenschnittstellen durch gemeinsam genutzte Plattformlösungen) unterstützen können, aber auch Fragen der Neugestaltung von Arbeitsprozessen und -organisaton gestellt werden müssen. Bei der Ko-Kreation neuer Services geht es um die frühzeitige Einbeziehung des Kunden auf unternehmensstrategischer Ebene in die Produkt- bzw. Dienstleistungsangebotsgestaltung von der ersten Ideenauswahl bis zur konkreten Erstellung des Service-Portfolios (Leimeister 2020).

Zur Gestaltung dieses Prozesses gibt es kein „Patentrezept“. Mit dem sogenannten Customer Value Co-Creation (CVCC)-Prozess (Abb. 2) werden jedoch – wenngleich auf genereller Ebene – fünf Schritte beschrieben, die als Strukturierungshilfe und Ideengeber zur Ausgestaltung des Ko-Kreationsprozesses herangezogen werden können.

Art und Format zur konkreten Gestaltung des aktiven Austauschprozesses sind ebenso individuell wie die Kunden und das, was in der jeweiligen Kooperationsbeziehung als „Win-Win-Situation“ angesehen wird (vgl. Mütze, Gerloff 2020, S. 322). Das führt zu vermehrt auf Kooperation beruhenden Arbeitsweisen und sich dynamisch intensivierenden Interaktionen der Beteiligten.

Aus der Praxis:

So hat beispielsweise bei der Firma RegTec die Entwicklung der gemeinsam mit dem Kunden genutzte Plattform zur bedarfsgerechten und transparenten Motorenwartung, neben der Verbesserung und Steigerung der Zufriedenheit mit der operativen Leistungserbringung ebenso arbeitsorganisatorische Veränderungen in der Zusammenarbeit mit dem Kunden auf Unternehmensebene nach sich gezogen. Es wurden regelmäßige Austauschtermine mit dem Kunden installiert, an denen unterschiedliche Akteure beider Unternehmen – von strategischer (Geschäfts-)Leitungsebene über das mittlere Management (z.B. Baustellen- und Abteilungsleitungen) bis zur operativen Ebene – die Art Zusammenarbeit im Rahmen einer sogenannten „Retrospektive“ gemeinsam reflektieren und sich über Verbesserungspotentiale austauschen. Dieser intensivierte Austausch führte zu einem besseren Verständnis füreinander, öffnete den Dialog und die beidseitige Bereitschaft gemeinsam an der Gestaltung einer „Win-Win-Situation“ zu arbeiten und hat somit die Qualität der Kooperationsbeziehung insgesamt positiv beeinflusst.

„Durch eine Zusammenarbeit über die Hierarchiestufen wurde eine sehr vertrauensvolle Umgebung geschaffen. Dies hat die Nöte und Sorgen der Beschäftigten sehr reduziert und teilweise genommen. Trotz anfänglicher Abneigung, die alltäglichen Prozesse offen kundzutun, und Angst vor einer vollumfänglichen Arbeitskontrolle konnte während des Projektverlaufs eine sehr gute Akzeptanz und hohe Wertschätzung der internen Beschäftigten und des Kunden erzielt werden. Als Erfolg ist die gute Anerkennung durch den Kunden für die innovative Arbeit hervorzuheben. Es gibt deutlich mehr Verständnis für den ‚Anderen‘, die Sichtweisen, Zwänge und auch Notwendigkeiten für das ‚neue‘ Miteinander sowie die notwendige Interaktion.“

(Geschäftsführung RegTec)

Fazit: Intensivierung der Kooperationsbeziehungen und Interaktionserfordernisse

Die deutlich verstärkte inner- und zwischenbetriebliche Vernetzung von Technischen Services durch neue Geschäftsmodelle (z.B. in Form von kundenzentrierten Abwicklungsprozessen, Service-Apps, digitalen Betreibermodellen oder ganz allgemein durch hybride Leistungserstellung) forciert die Bedarfe der Abstimmung und Kommunikation innerhalb der Arbeits- und Servicekooperationen. Technische Services zeichnen sich daher durch einen immer höheren Grad an Integration aus – und das auch über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg (Plattformökonomie). Nur das Miteinander zwischen Technischem Servicebeschäftigten und Kunden führt zu einer erfolgreichen Dienstleistung. Dies gilt noch stärker für die Ko-Kreation neuer Services. Die Zufriedenheit des Kunden und seiner langfristigen Bindung hängt neben der fachlichen Leistungserbringung maßgeblich von der Qualität der Kooperationsbeziehung ab. Interaktionsarbeit wird damit zu einem wesentlichen Bestandteil der serviceorientierten Leistungserstellung (Servitization) und damit zum Teil des Wertversprechens an den Kunden (Leitbild Guter smarter Interaktionsarbeit). Kommunikation und Kooperation sind also immer wichtigere Aspekte der Tätigkeit im Technischen Service. Interaktionsarbeit bindet somit auf der einen Seite Ressourcen, schafft aber auf der anderen Seite Werte – für das eigene Unternehmen und für den Kunden. Die Gestaltung Guter smarter Interaktionsarbeit kann im Bereich des Technischen Services als zentraler Bestandteil von Veränderungsprozessen, auch in Richtung der Entwicklung von Geschäftsmodellinnovation betrachtet werden.

Literatur

acatech (2015): Smart Maintenance für Smart Factories. Mit intelligenter Instandhaltung die Industrie 4.0 vorantreiben. acatech POSITION. München

Echterhoff, B. (2018): Methodik zur Einführung innovativer Geschäftsmodelle in etablierten Unternehmen. Band 387 der Verlagsschriftenreihe des Heinz Nixdorf Instituts.

Emperica Gesellschaft für Kommunikation und Technologieforschung GmbH; School of Business, University of Applied Science and Arts Northwestern Switzerland (2014): The Need for Innovations in Business Models. European Commission, DG Research and Innovation, Final Policy Brief.

Gassmann, O.; Frankenberger, K.; Csik, M. (2017): Geschäftsmodelle entwickeln. 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. 2. Aufl. München

Geigenmüller, A. (2017): Interaktionsqualität in digitalen B2B-ServiceEncountern – Begriff, Relevanz und Einflussfaktoren. In: M. Bruhn, K. Hadwich (Hrsg.): Dienstleistungen 4.0. Wiesbaden/Heidelberg, S. 122–139

Grösser, S. (2018): Definition: Was ist ein „Geschäftsmodell“?. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/geschaeftsmodell-52275/version-275417. 24.01.2022.

Höhmann, I. (2014): Neue Tools für Strategen. Harvard Business Manager 6, 2014, S. 16-17

IBM Corporation (2015) : Redefining Boundaries – Insights from the Global C-suite Study. IBM Global Business Services.

Leimeister, J. (2020):  Dienstleistungsengineering und -management Data-driven Service Innovation. 2. Aufl. Berlin/Heidelberg

Lindgardt, Z.; Reeves, M.; Stalk, G.; Deimler, M. S. (2009): Business Model Innovation-When the Game Gets Tough, Change the Game. The Boston Consulting Group.

Michalik, A.; Bärenfänger-Wojciechowski, S. (2017): Hybride Geschäftsmodelle: „Neue Player vs. Alte Industrie“ – wer im digitalen Monopoly gewinnt und wer verliert. In: Henke, M. (Hrsg.): Best Practices For Smart Maintenance. Tagungsband des 17. InstandhaltungsForums. Dortmund, S. 70-80

Mütze, J.; Gerloff, A. (2020): Customer Value Co-Creation: Gemeinsam die Chancen der Digitalisierung nutzen. In: Doleski, O. (ed.): Realisierung Utility 4.0 Band 1. Wiesbaden

Osterwalder, A., & Pigneur, Y. (2010). Business model generation: a handbook for visionaries, game changers, and challengers. Wiley

Osterwalder, A., Pigneur, Y., Bernarda, G., & Smith, A. (2015). Value proposition design – How to Create Products and Services Customers Want. Wiley Schuh et al. (2017): Geschäftsmodell Innovation. In: G. Reinhart (Hrsg.): Handbuch Industrie 4.0. Geschäftsmodelle, Prozesse, Technik. München: Carl Hanser Verlag, S. 3–24.