Methoden für die Ist-Erhebung
Die Ist-Erhebung ist für betriebliche Veränderungsprozesse eine entscheidende Phase innerhalb des gesamten Veränderungsprozesses. Bei der Ist-Erhebung werden die bislang ‚gefühlten‘ Probleme oder Friktionen im Leistungserstellungsprozess auf eine empirisch gesicherte Basis gestellt: Gab es bisher eher Indizien und möglicherweise einige Kennziffern, erlaubt die Analyse der bei der Ist-Erhebung gewonnenen Daten und Informationen eine detaillierte Problembeschreibung.
Um eine aussagekräftige Problembeschreibung zu erstellen, sind der geplanten Veränderung angepasste Erhebungsmethoden erforderlich. Der potenziell nutzbare Methodenbaukasten ist umfangreich. Sie lernen in diesem Wissensdatenbankartikel einige Werkzeuge kennen, die bei der Ist-Analyse von Interaktionsarbeit hilfreich sind. Dabei werden auf der einen Seite eher sozialwissenschaftliche, auf der anderen Seite eher ingenieurwissenschaftliche Methoden präsentiert. Alle haben in Abhängigkeit von der konkreten betrieblichen Problemstellung und den vorhandenen Ressourcen (Finanzen, Personal, Zeit) ihre Berechtigung. Das heißt, dass die Auswahl der geeigneten Methoden wohl durchdacht sein sollte. Dazu zählt insbesondere, dass es eine klare Fragestellung bzw. Zielsetzung gibt, auf die die Methoden passgerecht ausgewählt werden; zudem muss es eine Projektgruppe mit eindeutiger Aufgabenstellung, klaren Zuständigkeiten und Kompetenzen geben, die die Ist-Erhebung durchführt.
Sozialwissenschaftliche Methoden
Bei den sozialwissenschaftlichen Methoden, die ihre Praxistauglichkeit insbesondere in der empirischen Forschung unter Beweis gestellt haben, lassen sich quantitative und qualitative Methoden unterscheiden. Mit ersteren erhalten Sie in der Regel zahlenmäßig belegbare Erkenntnisse; Sie können Auskunft darüber geben, wie viele Beschäftigte für die Einführung von Datenbrillen wären oder wie viele die telefonische Störungsbeseitigung aufgrund ihrer Rahmenbedingungen (Bereitschaft, Wochenendarbeit etc.) für belastend und für einen wenig attraktiven Arbeitsplatz halten. Aber Sie werden wenig über die Ursachen erfahren, die für die Ergebnisse verantwortlich sind; der Abstraktionsgrad quantitativer Methoden ist vergleichsweise hoch, während die qualitativen Methoden in der Lage sind, bis ins Detail vorzudringen.
Dokumentenstudium
Bei dem Dokumentenstudium werden elektronisch oder auf Papier erfasste Informationen und Daten gesammelt, kategorisiert und ausgewertet. Diese Methode erlaubt einen ersten, mit anderen Instrumenten zu vertiefenden Überblick beispielsweise über den Untersuchungsbereich (Wie läuft eine Wartung von der Kundenanfrage bis zur Rechnung idealtypisch ab? In welchen Phasen besteht Kundenkontakt?) oder der Qualifikationsstruktur der betroffenen Beschäftigten. Ausgewertet werden vorrangig organisationsbezogene Dokumente wie beispielsweise Prozess- und Arbeitsplatzbeschreibungen, Organigramme oder Betriebsvereinbarungen, aber auch einschlägige Fachliteratur oder sonstige Informationen mit Bezug zum betrieblichen Veränderungsvorhaben.
Diese Methode hat den Vorteil, dass sie ohne größeren Aufwand von der Projektgruppe umgesetzt werden kann und erste weiterführende Hinweise auf die Konkretisierung der Problembeschreibung und potenzielle Lösungsansätze erbringen kann. Problematisch an dem Verfahren ist die Aktualität: So beschreiben etwa Arbeitsplatzbeschreibungen einen einmal definierten Status quo, ohne diesen an bisherige Veränderungen angepasst und damit auf den aktuellen Stand gebracht zu haben. Die Gefahr ist somit immer gegeben, dass die gesichteten Unterlagen nicht mehr aktuell sind.
Interview
Das Interview als mündliche Befragung ist ein Kernerhebungsinstrument der Sozialwissenschaft. Bezeichnet wird damit die Informationsgewinnung mittels standardisierter, halbstandardisierter oder leitfadengestützter Fragebögen. Diese Methode erlaubt in seiner leitfadengestützten Ausprägung eine vertiefte Erhebung von Aufgaben und Arbeitsabläufen; hierdurch lassen sich die Unterschiede zwischen Theorie (etwa Arbeitsplatzbeschreibungen) und Praxis herausarbeiten, um der Wirklichkeit betrieblicher Abläufe näher zu kommen – es eignet sich somit zur „Exploration des Unbekannten“ (Liebold/Trinczek 2009: 36).
Beim Interview ist es von besonderer Bedeutung, dass die in Frage kommenden Personen und das Ziel der Erhebung genau bekannt sind (etwa durch Formulierung eines Abstracts oder Exposees; vgl. Busse 2000), um die Interviews fokussiert zu führen und nicht ins ‚Uferlose abzudriften‘ sowie die von dem Veränderungsthema direkt betroffenen Personenkreis zu ermitteln. Darüber hinaus ist von der Projektgruppe zu klären, ob halbstandardisierte, leitfadengestützte oder standardisierte Interviews geführt werden. Letztere haben den Vorteil, dass Vorbereitung und Auswertung weniger aufwändig sind; außerdem lässt sich die Befragung mit geringer geschultem Personal durchführen. Der Nachteil ist, dass vertiefte, offene und/oder ehrliche Informationen nicht erfasst werden können – das ist der Vorteil der leitfadengestützten Interviews als „thematisch strukturierte Interviews“ (Liebold/Trinczek 2009: 35), bei denen die Interviewenden bei interessanten Aspekten intensiver nachfragen und (auch non-verbale) Informationen erheben können, die bei einem standardisierten Fragenkatalog im Verborgenen bleiben; zudem wird spontanes Reagieren auf beiden Seiten ermöglicht. Die Fragen im Leitfaden müssen sich durch „‚Offenheit‘ und ‚Flexibilität‘“ (Liebold/Trinczek 2009: 38) auszeichnen. Dafür ist der Vorbereitungs-, Erhebungs- und Auswertungsaufwand bei leitfadengestützten Interviews höher und die Interviewenden müssen besser geschult sein, weil die Gesprächsführung anspruchsvoller ist und sie im Vorfeld über Vorkenntnisse des Untersuchungsbereichs aufweisen müssen.
Neben dem bilateralen Interview zwischen Erhebenden und Interviewten ist von der Projektgruppe zu prüfen, ob Gruppendiskussionen als Variante der Interviewmethode in Erwägung zu ziehen sind. Die Gruppendiskussion kann sinnvoll sein, wenn ähnliche Arbeitsplätze untersucht oder eine Gruppendynamik (Bestätigungen, Widersprüche etc.) erzeugt werden soll:
„Die Vorteile und Möglichkeiten von Gruppeninterviews liegen im Erzeugen von Anregungen, im Erarbeiten von gemeinsamen Vorschlägen mit größerer Akzeptanz für die Betroffenen, in der Zeitersparnis und in der Transparenz der Informationsgewinnung.“
(Frieling/Sonntag 1999: 74) (Akzeptanz)
Problematisch kann bei Gruppendiskussionen jedoch sein, wenn mehrere hierarchische Ebenen beteiligt sind oder die Teilnehmenden sich – bewusst oder unbewusst – gegenseitig beeinflussen (vgl. Abel et al. 2019: 32); die ‚richtige‘ Auswahl der Teilnehmenden ist deshalb eine zentrale Herausforderung.
Die Interviewvorbereitung umfasst neben der Auswahl der Gesprächspartner:innen, wobei auf den Einbezug unterschiedlicher betrieblicher Akteure und Ebenen zu achten ist, und der Interviewvariante insbesondere die Formulierung der Fragenbögen bzw. Leitfäden, die Festlegung von Ort und dem zeitlichem Umfang der Befragung. Die Fragebögen bzw. Leitfäden müssen strukturiert aufgebaut sein (Informationen zum Arbeitsplatz, Abläufe, Probleme und deren Ursachen, mögliche Lösungsansätze), die Fragen sollen u.a. verständlich, ergebnisoffen, nicht rhetorisch sein und eine nachvollziehbare Reihenfolge aufweisen. Zudem muss geklärt werden, ob und bei welchem Sachverhalt geschlossene (Vorgabe der Antworten) oder offene Fragen (Interviewte können frei antworten) gestellt werden können.
In der Interviewsituation selbst ist darauf zu achten, dass eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre erzeugt wird: Die Gesprächspartner:innen müssen damit rechnen können, dass ihnen ihre Äußerungen nicht zum Nachteil ausgelegt werden, sondern dass sie als Fachleute ihrer Arbeitsplätze befragt werden und dass ihre Berichte und Einschätzungen wertvolle Informationen für die Verbesserung der Abläufe sowie der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sind (Partizipation).
Schriftliche Befragung
Im Unterschied zu dem Interview zielt die schriftliche Befragung auf eine größere Anzahl von Personen, die entweder analog einen Papierfragebogen oder digital einen Onlinefragebogen ausfüllen (vgl. Brake/Weber 2009). Dabei handelt es sich um asynchrone Befragungen, das heißt Fragen und Antworten erfolgen zeitlich getrennt. Die schriftliche Befragung wird insbesondere gewählt, wenn es um repräsentative Befragungen geht oder ein breites Stimmungsbild in der Belegschaft erhoben werden soll (etwa Beschäftigtenbefragungen in Zusammenhang mit der DIN ISO 9001). Sie zielt weniger darauf ab, vertiefende Erkenntnisse über ein Problem oder Zusammenhänge zu erzielen (vgl. Schröder 2000), sondern erlaubt aussagekräftige Ergebnisse (vgl. Brake 2009: 394), wenn die Fragestellung sehr klar umrissen ist, was bei betrieblichen Veränderungsprozessen in dieser frühen Phase nicht immer gegeben ist, bestimmte Vorkenntnisse über den Veränderungsgegenstand bei der Projektgruppe vorhanden sind, die Gruppe der Befragten nicht sehr heterogen ist und es keine Sprachprobleme gibt, von denen bei Beschäftigten im Technischen Service nicht auszugehen ist.
Alternativ lassen sich Online-Befragungen durchführen, bei denen der Link zum Fragebogen an die Zielgruppe versendet wird. Online-Befragungen haben die Vorteile der schnellen Durchführbarkeit bei relativ geringen Kosten und der möglichen Anwendung von methodischen Instrumenten (z.B. Filterführung).
Die Anforderungen an den Fragebogen sind höher als die bei mündlichen Interviews: Das Vorhandensein einer eindeutigen Problemstellung für den schriftlichen Fragebogen deutet an, dass die Fragen unmissverständlich formuliert sein müssen und keinen Interpretationsspielraum zulassen dürfen; hierfür bieten sich grundsätzlich eher geschlossene als offene Fragen an.
Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen vermag eine schriftliche Befragung eine Reihe von Vorteilen zu haben (vgl. Frieling/Sonntag 1999: 66 f.): geringe Kosten, Anonymität für die Befragten, kein Einfluss der Interviewenden auf das Antwortverhalten, einfachere (computergestützte) Auswertung etc. Aber es gibt auch Nachteile: In der Regel lassen die Fragen nicht so unmissverständlich stellen, so dass sich Interpretationsspielräume und damit Verzerrungen ergeben; außerdem werden die Fragebögen vielfach unvollständig ausgefüllt. Der entscheidende Nachteil ist indes das Fehlen von „individuellen Antwortvarianten (…), die der Situation der Befragten möglicherweise besser entsprechen würden“ (Frieling/Sonntag 1999: 67).
Eine immer wiederkehrende Herausforderung bei schriftlichen Befragungen im Betrieb ist die (zu) geringe Rücklaufquote, die zum Misserfolg der Aktion führt: Deshalb muss die Umfrage im Betrieb durch ausführliche Informationen der Belegschaft und der betrieblichen Interessenvertretung vorbereitet werden, um die Akzeptanz und damit die Rücklaufquote zu erhöhen.
Selbstaufschreibung, Analytisches Schätzen
Bei der Selbstaufschreibung werden die Beschäftigten gebeten, ihre Arbeit zu protokollieren. Diese Methode ist für die Implementierung Guter smarter Interaktionsarbeit nur bedingt geeignet. Selbstaufschreibung wird vielfach genutzt, wenn es um die Erfassung von Zeitaufwänden für bestimmte Tätigkeiten geht.
Ähnliches gilt für das sogenannte analytische Schätzen, das vorwiegend dazu dient, quantitative Daten (meist Zeitaufwände) zu erheben, obwohl quantitative Daten in den zu untersuchenden Arbeitsprozessen nicht direkt erhoben werden können. Im Grundsatz geht es um die Extrapolation von (vergangenen) Erfahrungswerten in die Zukunft. Für die Technischen Services und Gute Interaktionsarbeit geht es indes nicht um die quantitative Zeitaufwandsmessung, sondern um die Verbesserung ‚weicher‘ Interaktionsprobleme zwischen internen Akteur:innen oder zwischen internen Akteur:innen auf der einen und Kund:innen auf der anderen Seite.
Beobachtungsmethoden
In den Sozialwissenschaften sind verschiedene Formen von Beobachtungsinstrumenten im Einsatz, die sich unterscheiden lassen in qualitativ und quantitativ (etwa Multimomentaufnahmen) sowie nach teilnehmend (teilnehmende Beobachtung) und nicht-teilnehmend (Arbeitsplatzbeobachtung). Beobachtungsmethoden werden nicht weiter ausgeführt, weil sie zum einen in der betrieblichen Praxis sehr aufwändig umzusetzen sind und zum anderen eher dazu geeignet sind, sichtbare Arbeitsprozesse zu analysieren. Kreative, emotionale oder andere ‚geistige‘ Tätigkeiten wie Interaktionsarbeit lassen sich in der Regel schlechter mit Beobachtungsmethoden erfassen. Die Überlegungen, die Technische Servicebeschäftigte anstellen, wenn sie mit Anrufenden eine Störung besprechen und versuchen, genaueres über die Symptome der Störung zu erfahren, lassen sich lediglich auf der verbalen bzw. kommunikativen Ebene durch die Beobachtung verfolgen – was im Kopf der Beschäftigten vorgeht, bleibt zunächst verborgen. In diesen Fällen müssen die Beobachtungsmethoden durch Befragungsinstrumente ergänzt werden (vgl. ausführlich Kuhlmann 2009; Martens 2000).
Ingenieurwissenschaftliche Methoden
Die ingenieurwissenschaftlichen Methoden der Ist-Erhebung fokussieren primär die Technik und die Organisation im Betrieb und bilden eine sinnvolle Ergänzung zu den sozialwissenschaftlichen Ist-Erhebungsmethoden, indem die nachfolgend präsentierten Methoden insbesondere die Informationsflüsse dokumentieren.
Mit einer Informationsmatrix lassen sich die Informationsflüsse zwischen technischen Systemen nachzeichnen (vgl. Abel et al. 2019: 25 ff.). Dabei wird ein definierter Prozess(-abschnitt) analysiert, indem zunächst die relevanten Prozessschritte erfasst, sodann die genutzten analogen Informationsmedien sowie die genutzten digitalen Medien aufgeführt werden. Ist das erfolgt, werden die Informationsflüsse abgeglichen, gegebenenfalls qualitativ bewertet und anschließend analysiert.
Darüber hinaus ist die Business Process Model and Notation (BPMN) als standardisiertes und lizenzfreies Visualisierungsinstrument für Geschäfts- und Arbeitsprozesse nutzbar. Sie dient insbesondere als Grundlage der Kommunikation mit unterschiedlichen Zielgruppen: Es können sowohl interne Geschäftsprozesse als auch solche Prozesse, die zwischen dem eigenen Unternehmen und dem Kundenunternehmen ablaufen, dargestellt werden. Die BPMN gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen visuellen Prozesselementen vor, die zur durchgängigen Darstellung von Geschäftsprozessen systematisch zusammengeschaltet werden. Das ermöglicht eine standardisierte und eindeutige Form der Darstellung und somit bessere Gesprächsgrundlage.
Der Detaillierungsgrad der Darstellung kann weiterhin individuell bestimmt werden (vgl. Lindenbach et al. 2013). Deren Ergebnis ist „eine übersichtliche Darstellung, welche Person welche Tätigkeit ausführt und welche Informationen benötigt und erzeigt werden“ (Abel et al. 2019: 29).
Eine weitere Möglichkeit der Prozessvisualisierung ist das Wertstromdesign (auch Wertstromanalyse genannt), bei dem „Mitarbeiter-, Material- und Informationsflüsse (…) sichtbar“ (Stowasser 2012: 64) werden. Unter einem Wertstrom werden alle Aktivitäten, ob direkt wertschöpfend oder nicht direkt wertschöpfend (z.B. Informationsflüsse), verstanden, die für das Bewegen von Produkten durch die Hauptflüsse erforderlich und für jedes Produkt entscheidend sind: den Fertigungsstrom vom Rohmaterial bis zum Kunden und den Entwicklungsstrom vom Produktkonzept bis zum -start (vgl. Bandow/Holzmüller 2009). Das Wertstromdesign ist ein ganzheitlicher Ansatz mit der ursprünglichen Intention, Verschwendung in den Prozessen zu ermitteln und zu beseitigen. Das Dortmunder Prozessketteninstrumentarium (PKI) (Kuhn 1995) ist eine weitere Methode zur Modellierung insbesondere von logistischen Prozessen (Abb.1). Das PKI wird primär zur „Visualisierung, Analyse und Gestaltung von Auftragsdurchlaufzeiten (…) eingesetzt“ (Kuhn 1995: 13 f.). Bei der Untersuchung des Auftragsdurchlaufes mit Hilfe des PKI folgen die Betrachtenden dem Auftrag entlang dessen Abwicklung durch das Unternehmen. Ziel ist, die Prozesse vom Auftragseingang bis zum Auftragsabschluss vollständig zu erkennen und abzubilden.
Die Elemente und Systematik des PKI erlauben es, Abhängigkeiten der einzelnen Teilschritte zu erkennen und diese mit Bezug zur zeitlichen Abfolge detailliert darzustellen. Auch wenn hier der Fokus auf die physischen Prozessschritte (i.d.R. Materialfluss) gelegt wird, kann der Informationsfluss in gleicher Systematik mit dem Instrument abgebildet und in die Gesamtdarstellung integriert werden. Einzelne Teilprozessschritte können mit Hilfe des PKI als sogenanntes Untermodell bedarfsgerecht ausführlicher beschrieben werden. Zur besseren Übersichtlichkeit sind die Darstellungsweisen selbstähnlich aufgebaut.
Das zentrale Element des PKI ist das Prozesskettelelement (Abb. 1), das sich jeweils durch konkrete Eingangs- und Ausgangsgrößen (Quelle, Senke) charakterisiert. Zusätzliche Unterstützung zur ausführlichen Beschreibung einzelner Prozessschritte bilden die sogenannte Potentialklassen Prozessablauf (Prozesse), Lenkungsebenen, Ressourcen und Strukturen beschreibt (vgl. Winz/Quint 1997). Diese können bei Bedarf hinzugezogen werden, um einzelne Teilprozessschritte mit zusätzlichen Informationen, wie beispielsweise dem Personalbedarf oder unterstützenden technischen Hilfs- und Arbeitsmitteln, zu ergänzen.
Tipps für die Praxis
Die vorgestellten Methoden sind jeweils für spezifische Einsatzfälle geeignet und haben in ihrem Vergleich jeweils ihre Stärken und Schwächen. Der Umfang der Ist-Analyse zur Verbesserung der Interaktionsarbeit hängt gewiss von den betrieblich verfügbaren Ressourcen an Finanzen, Zeit, Personal und Know-how ab.
Grundsätzlich ist zu betonen, dass mit der Qualität der Ist-Erhebung die Analysebasis besser wird und daraus resultierend im weiteren Verlauf die Güte des Soll-Konzeptes steigt. Vor diesem Hintergrund ist es angeraten, einen Methodenmix bei der Ist-Erhebung zu verfolgen. Das Dokumentenstudium ist in Verbindung mit einer Prozessaufnahme die Grundlage, um sich zunächst ein genaueres Bild über den Arbeitsablauf im Allgemeinen und den einzelnen Arbeitsplatz im Besonderen zu verschaffen. Daran anschließend sollte entweder mit ausgewählten Expert:innen ein vertiefendes Interview geführt werden, wobei unter ‚Expert:in‘ sowohl die Managementebene als auch insbesondere die betroffenen Beschäftigten (und deren Interessenvertretung) gemeint sind, oder eine schriftliche Befragung durchgeführt werden. Eine qualitative Methode ist für die Analyse der Interaktionsarbeit insofern unabdingbar, da es sich um einen Part der Arbeitsaufgabe handelt, der sich nicht quantifizieren lässt, sondern bei dem es um die ‚Zwischentöne‘ in der internen und externen Kommunikation und Kooperation ankommt.
Die Ist-Analyse bildet das Fundament für alle folgenden Entscheidungen: Wurde an dieser Stelle das betriebliche Problem nicht ausreichend verstanden und können die Projektverantwortlichen es somit nicht angemessen definieren, werden alle weiteren Maßnahmen und Handlungen auf einer unzureichenden Grundlage fußen. Aus diesem Grund ist es wesentlich, dass die Projektgruppe über die erforderlichen Kompetenzen verfügt; dabei meint Kompetenzen sowohl die Fähigkeiten und Fertigkeiten für die ‚technische‘ Durchführung der Ist-Erhebung als auch die Befugnisse, auf entsprechende Gesprächspartner:innen, Unterlagen etc. zuzugreifen. (Ressourcen für Veränderungsprozesse)
Die Relevanz der Ist-Erhebung drückt sich zudem darin aus, dass auf eine ausführliche und nachvollziehbare Dokumentation, auf die alle Projektbeteiligten Zugriff haben sollen, geachtet wird; hier stellt sich in den Unternehmen immer wieder heraus, dass die erhobenen Daten, Informationen und Meinungen unzureichend dokumentiert werden und somit untauglich für die Analyse der Ist-Erhebung sind, die ja erst den weiteren Aufschluss über die nächsten Schritte geben wird.
Ein in der Praxis häufig zu beobachtendes Phänomen ist bei Veränderungsprozessen ein gewisses Beharrungsvermögen betrieblicher Akteur:innen, die aus unterschiedlichen, nicht immer unberechtigten Gründen Veränderungen skeptisch gegenüberstehen: Nicht nur, dass für den Erfolg der Ist-Erhebung deren Bereitschaft, an der Erhebung mitzuwirken, unerlässlich ist, da sie die Fachleute des Arbeitsprozesses – und damit seiner Interaktionsarbeitsanteile – sind, sondern für eine Offenheit, sich als Betroffene mit einer geplanten betrieblichen Veränderung auseinanderzusetzen, ist die deren frühzeitige Einbindung, aber auch die der Führungskräfte oder der betrieblichen Interessenvertretung vonnöten. Dafür bietet die Ist-Erhebung, insbesondere bei Verwendung qualitativer Methoden, einen wichtigen Einstiegspunkt, indem nicht nur die Belegschaft informiert wird, sondern indem sie nach Friktionen im Prozess befragt und auf mögliche, direkt aus der Praxis kommende Lösungsansätze angesprochen wird.
Literatur
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